MOF: Kleines blaues Wunder

MOF: Kleines blaues Wunder
MOF: Kleines blaues Wunder

„Was bitte ist ein MOF“, fragt Sabine Fernau. Die Geschäftsführerin der NAT steht mit Schülern vom Alexander-von-Humboldt-Gymnasium vor einer Apparatur aus Schläuchen, Kolben und Ventilen. Im ersten Teil des Praktikums an der Universität Hamburg im Institut für Anorganische und Angewandte Chemie haben die Gymnasiasten gelernt, was ein MOF ist und wie man es herstellt, aber da war Sabine Fernau noch nicht dabei. Es ist also eine echte Frage, doch die Zwölftklässler zieren sich ein wenig. Allgemeines Gemurmel, aber keine verständlichen Antworten. Schließlich erbarmt sich ein Schüler: „Metall Organic Framework“. Ach so! 

Speichermedium für Gase

„Metallorganische Gerüstverbindungen“, übersetzt Chemikerin Daniela Frahm und fügt dankenswerter Weise hinzu: „Das ist eine dreidimensionale Verbindung mit Hohlräumen drin, in denen wir Gase einspeichern können.“ Aha! Dann wendet sich die Doktorandin wieder dem Versuchsaufbau zu und erklärt das Vorgehen: „Zunächst evakuieren wir, das heißt wir ziehen ein Vakuum, dann füllen wir den einen Kolben mit Stickstoff. Was passiert, wenn ich diesen Hahn öffne?“, zeigt Frahm auf das Ventil zwischen dem ersten und dem zweiten Kolben.

MOF: Kleines blaues Wunder
MOF: Kleines blaues Wunder
MOF: Kleines blaues Wunder
MOF: Kleines blaues Wunder

Abstrakt wird anschaulich

Dieses Mal lässt die Antwort nicht lange auf sich warten: „Es kommt zu einem Druckabfall, weil sich das Gas auf größeren Raum verteilen kann“, so Malte. Und was passiert, wenn wir in einem zweiten Versuch den leeren Kolben durch einen Gefäß mit MOF ersetzen, will Frahm weiter wissen. „Der Druckabfall wird noch viel größer, weil das Gas von dem MOF absorbiert wird.“ Genau!

Die Kühlung macht den Unterschied

So weit das Prinzip, nun die Praxis. Daniela Frahm kühlt die Kolben zunächst mit flüssigem Stickstoff: „Bei Raumtemperatur würden wir keinen signifikanten Unterschied sehen, weil die Moleküle sich zu schnell bewegen und sich gegen die Adsorption wehren.“ Dann öffnet die 27-Jährige die Vakuumpumpe für genau drei Minuten, anschließend die Stickstoffleitung. „Wir könnten auch Wasserstoff nehmen, aber hier kommt nun einmal Stickstoff aus der Leitung“, sagt sie lakonisch. Erst dann sind die Schüler dran: Sie messen den Druck alle halbe Minute und stellen fest: Der Druck fällt ruckartig ab, dann bleibt der Wert nahezu konstant.

Kleines, großes Pulver

Der zweite Versuchsaufbau gleicht haargenau dem ersten. Nur wird jetzt anstelle des leeren Kolbens der MOF angebracht: Oho! Es ist ein leuchtendes türkisblaues Pulver, geradezu ein Lichtblick im grauen Versuchsaufbau. Dass es mit den drei harten Buchstaben belegt wurde, die im Niederländischen ein Schimpfwort (für einen Deutschen) darstellen, erstaunt nur den Laien. Für Chemikerin Frahm ist das blaue Pulver ein täglicher Begleiter in ihrer Doktorarbeit und eine Hoffnung für die Menschheit: „Die besten MOFs haben 6000 Quadratmeter Oberfläche in einem Gramm Material. Das ist riesig.“ Und eine Antwort auf das Speicherproblem erneuerbarer Energien, wenn sich damit noch mehr Wasserstoff bei möglichst wenig Kühlung speichern ließe.

MOF: Kleines blaues Wunder
MOF: Kleines blaues Wunder
MOF: Kleines blaues Wunder
MOF: Kleines blaues Wunder

Starkes Potenzial

Genau daran forscht Frahm, wenn sie nicht gerade Studienanfänger oder Schüler anleitet. Vor der mit Formeln beschrifteten Glaswand in Frahms Labor überzeugen sich die Oberstufenschüler von dem MOF-Potenzial: Der Druck fällt bei diesem Aufbau auch nach drei Minuten noch immer weiter ab und nähert sich schon fast dem Vakuum an, weil der MOF das gesamte Gas an sich bindet. „Wenn Sie das jetzt auch ohne Kühlung hinbekommen, ist Ihnen der Nobelpreis sicher“, lobt Physiklehrer Armin Kunz die junge Doktorandin.

In vier Wochen vom organischen Stoff zum MOF

Das Problem nur, MOFs herzustellen, ist aufwändig, weil zunächst durch Erhitzen und Abkühlen neue Verbindungsmoleküle hergestellt, die dann wiederum mit den Metallbestandteilen vermischt werden. Bis zu vier Wochen dauert es, bis Frahm aus organischen Stoffen und den Metallatomen ein dreidimensionales Gerüst aufgebaut hat und damit ein neues Pulver in den Händen hält. So viel Zeit haben die Schüler nicht, die langsam ungeduldig werden: „Wir wollen selber experimentieren“, sagt Florian.

Direktes Ergebnis mit Alltagsbezug

Dies geschieht im zweiten Teils des Praktikums, bei dem es um die thermische Speicherung von Energie geht. In Gruppenarbeit versetzen die Schüler Natriumacetat-Trihydrat mit Wasser, verschließen den Kolben mit Watte und erwärmen ihn, bis eine klare Lösung entsteht. Dann lassen Florian, Malte und Jakob die Lösung wieder abkühlen und müssen dabei ganz vorsichtig sein. Würden sie das Glas anstoßen, würde die übersättigte Lösung erschüttert und das Salz unter Abgabe von Wärme schlagartig auskristallisieren. Das ist genau der Effekt, den handelsübliche Wärmekissen nutzen und den die Gruppe durch die Zugabe eines winzigen Kristalls auslöst: Die Temperatur der Lösung steigt auf über 50 Grad. „Ich finde es spannend, dass wir hier ein direktes Ergebnis und auch noch einen Alltagsbezug haben“, lobt Jakob das Chemiepraktikum.