Mathe drunter und drüber

Technomathe in der TUHH

Was schwimmt wie? Kreise, Dreiecke, Klötzchen aus Balsaholz, Fichte oder Palisander liegen ausgebreitet wie Spielsteine vor acht Oberstufenschülern. Auf der anderen Raumseite lockt ein Aquarium im XXL-Format. Wie leicht wäre es, das Holz einfach ins Wasser zu werfen, aber das kommt später. Erst einmal sollen sich die Workshop-Teilnehmer ihren eigenen Kopf machen. „Ich wette, die schwimmen alle!“, vermutet Timo. Schließlich habe doch niemand Lust, sich hinterher nass zu machen und alles wieder rauszuholen. Jiaze hält ihm ein Stück Pockholz, ein extrem schweres Tropenholz vor die Nase: „Das hier schwimmt auf gar keinen Fall!“

Von der Dichte der Fichte

Bjarne und Marvin wollen sich gar nicht erst auf Spekulationen einlassen. Mit Lineal, Waage und Taschenrechner bestimmen sie die Dichte der Holzkörper. „Ja, das ist kleiner als eins, das schwimmt“, bestätigt Bjarne und hebt einen Fichtenholzquader hoch. „Ich glaube, der schafft es sogar hochkant.“ Jetzt juckt es den Schülern aber doch in den Fingern. Workshop-Leiter und Mathematikprofessor Wolfgang Mackens bittet Bjarne ans Becken. Der Fichtenklotz schwimmt, wackelt und kippt. Stabil sei etwas anderes, konstatiert Mackens: „Stabil heißt in der Schifffahrt, dass die Wellen das Schiff nur kurzzeitig auslenken und es sich dann sofort wieder in die Ausgangslage zurück begibt.“

Technomathematik an der TUHH
Technomathematik an der TUHH
Technomathematik an der TUHH
Technomathematik an der TUHH

Der Reiz des Rechnens

Darum geht es: Die Physikprofilschüler, die eine Projektwoche ihrer Schule für den Ausflug an die Technische Universität Hamburg-Harburg nutzen, sollen Mathematik in der Anwendung erfahren, programmieren und verankern. „Denn nur in der Anwendung behält man den Kram auch“, betont Professor Mackens. Genau das ist wichtig, denn der „Kram“ wird gebraucht: „Mathematik – Motor der Wirtschaft“, zitiert sein Kollege, Professor Marko Lindner, einen Sachbuchtitel, in dem viele Unternehmen von der Bundesagentur für Arbeit über die Chemieindustrie bis zur Versicherung betonen, dass ihr Geschäftsmodell ohne Mathematik nicht funktionieren würde. Weil das aber verschiedene Sparten beträfe, habe man auch höchst unterschiedliche Workshops für die „GOAner“ zusammengestellt.  

Experiment Zufallssurfer

GOA ist die gängige Abkürzung für das Gymnasium Oberalster in Hamburgs Norden, das ein Physikprofil in Verbindung mit Informatik anbietet. Verteilt auf zwei Oberstufenjahrgänge wurde es von 37 Schülern angewählt – und von einer einzigen Schülerin. „Ich habe extra für dieses Profil die Schule gewechselt und reise jeden Morgen aus Schnelsen nach Sasel an“, erzählt Katja. An dem Technomathematiktag hat sie sich für den Workshop „Suchmaschine und Codierung“, kurz „Google“ bei Professorin Sabine Le Borne entschieden. Nun wandert die Elftklässlerin auf dem TUHH-Campus von einer Webseite zur nächsten. Ein Experiment, mit dem Le Borne nicht nur beweisen will, wie Suchmaschinen funktionieren, sondern auch, dass hinter Suche und Kodierung jede Menge lineare Algebra steckt.

Technomathe an der TUHH
Technomathe an der TUHH
Technomathe an der TUHH
Technomathe an der TUHH

Das Gesetz der großen Zahlen

In Lindners Workshop geht es dagegen um Stochastik und das „Gesetz der großen Zahlen“, dargestellt an Zufallsexperimenten mit Münzen und Würfeln. Einen Raum darunter im Workshop von Oberingenieur Christian Seifert um Differenzialgleichungen, die Bewegungssimulationen etwa in Computerspielen verständlich machen sollen. Für die Workshop-Teilnehmer heißt das jeweils auch: Auf das Experiment folgt eine Phase der Beschreibung und Theorie, die es durchaus in sich hat.

Ein Schuljahr in zwei Stunden

„Gefühlt war das jetzt ein Schuljahr - in zwei Stunden gepackt“, sagt Mark in der Pause nach dem Mackens-Vortrag. Der 16-Jährige besucht das erste Semester, während die Mehrheit seiner Gruppe zum dritten Semester gehört. „Das ist anspruchsvoll, aber auch echt interessant“, so Mark. Und es kommt noch besser. Nach der Mittagspause folgt die Umsetzung in Programme, die beispielsweise Schwerkraft und Auftrieb, die Natur simulieren. „Ich kann damit vorhersagen, wie sich mein Schwimmkörper bewegt“, sagt Mackens. Die Schüler lernen dabei, von einer groben Struktur ins Feine zu programmieren, Top-Down-Analyse genannt. „Das Denken in Funktionen ist für uns ausgesprochen wichtig“, betont der Numeriker.

Mitnahmeeffekte

Neben dem Denken in einem Mathematikinstitut erfahren die Schüler aber noch viel mehr. Studientipps beispielsweise: „Setzen Sie sich im Hörsaal so weit wie möglich nach vorne. So steuern Sie den Dozenten mit den Augen und er nimmt Sie wahr“, rät Professor Mackens. Eindrücke vom Studiengang Technomathematik und der Hochschule: „Ich wusste gar nicht, dass die TUHH so groß ist und so moderne Gebäude hat“, sagt André. Dem Elftklässler hat der Bewegungsworkshop viel Spaß gemacht. „Das hatte genau die richtige Länge und war abwechslungsreich.“ Das Programm SCILAB, mit dem gearbeitet wurde, will der Computerfreak zu Hause ausprobieren. Dann kann er sich gleich mit seiner Lehrerin zusammentun: Auch Ursula Mersiowsky hatte einen Workshop für Lehrer angefragt. „Kommt alles dran“, verspricht Wolfgang Mackens.